Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/98      Seite 7
 
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Resignation

Resignation - ja vielleicht könnte man es so nennen. Vielleicht ist es aber auch nur Faulheit, Bequemlichkeit, eine angeborene Neigung zur Unterwürfigkeit oder einfach nur Unwissenheit - nein, Unwissenheit wohl eher weniger, denn wir sind doch ach so gebildete, kritische Jugendliche von heute; man kann uns wohl kaum mit jenen unwissenden, naiven Jugendlichen vergleichen, die unsere Großeltern oder Eltern in der Nazizeit noch waren. Nein, wir wissen, was in unserer "Demokratie" so alles abläuft. Wir wissen, wie glücklich wir uns schätzen können, in einer solchen "Demokratie" zu leben (das kann nicht jeder).

Zwar haben wir irgendwann in der Schule auch mal gelernt, den Begriff "Demokratie" zu definieren, aber solche Kleinigkeiten wie, daß eigentlich das Volk hersehen solle, haben wir schnell wieder zur Seite geschoben. Das ist unbequem - Nachdenken - nein, wie kann man nur, das ist doch völlig uncool.

Außerdem haben wir doch alles, was wir wollen: eine großartige Bildung, ein ausgeprägtes soziales Netz, die Freiheit, zu denken und zu tun, wonach uns beliebt (das steht sogar im Grundgesetzt - Artikel 1). Die schechten Zeiten, in denen man noch ums tägliche Brot kämpfen mußte, in denen man noch nicht einmal frei sagen durfte, was man dachte, sind doch wohl endgültig vorbei (deshalb steht ja auch mein Name gut leserlich unter diesem Artikel). Zensur!?! Was ist das? Das wurde doch schon vor 50 Jahren mit der Todesstrafe endgültig abgeschafft.

Genau mit diesen Vorstellungen bin ich nun zur Bundestagswahl gegangan, und da stand ich nun vor meinem Wahlzettel, nur was wählen? Standardparteien wie CDU und SPD sind immer gut, da weiß man, was man hat (keine negativen Veränderungen, die immer gleichbeleibende Gewährleistung unserer "Demokratie" und schließlich: was Mama, Papa, Oma und Opa schon gewählt haben, kann ja nicht schlecht sein, eben aus Erfahrung gut), solche Punkte sollte man in seinen Überlegungen (nicht) vergessen.

Und dann sind da noch Parteien, wie die Grünen oder die PDS, gefährliche Parteien, entstanden aus der APO und der SED, kriminelle Vereinigungen, die zwar durch die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie in ihren negativen Wucherungen unterdrückt werden, aber Herkunft bleibt Herkunft und wie sollte man auch aus Unkraut eine Rose ziehen können? Schließlich bleiben da noch die guten alten "Patrioten", als da wären DVU, NPD oder Republikaner. Da weiß man wenigstens, was man hat. Am besten sollten wir gleich unseren guten alten Adolf ausbuddeln, so'n Pech nur, daß niemand so genau weiß, wo er jetzt eigentlich liegt. Aber wo sich ein Führer gefunden hat, da wird sich auch ein zweiter finden, der uns von allem Unrat befreit, das im Moment noch unserem Staat wie ein Schmarotzer die lebensnotwendigen Energien aussaugt.

Was bleibt, ist die Frage nach Demokratie, persönlicher Freiheit. Wo die Antwort auf diese Frage bei einer der aufgezählten Parteien zu finden ist, muß jeder für sich selbst entscheiden. Da sollte man kritikfähig werden, so wie man es nach der eigenen Auffassung ja bereits ist.

Was aber, wenn einem keine dieser Parteien Antwort bietet? Resigniert man dann? Wird man faul, bequem, gibt seine idealistischen Träume von Demokratie und Freiheit auf, behauptet einfach, daß eine Durchsetzung dieser "Träume" in der Antike vielleicht möglich war, es heute aber erstens nicht mehr zeitgemäß wäre und zweitens sowieso an den vielen viel zu großen Hindernissen scheitern würde.

Was ist dann das größte Hindernis? Der erste Schritt?!? Es ist doch viel einfacher und auch wohl gesellschaftlich angesehener (denn schließlich will man im Leben ja auch weiterkommen), nicht zu fragen, daß man die CDU oder SPD schön wählt und sich nach der Wahl wie Pontius Pilatus die Hände in Undschuld wäscht und die "Politik" als böse alte Hexe aussieht, die die armen unschuldigen Kinder natürlich zu Unrecht straft.

Ach, ich armes unschuldiges Kind werde also weiterhin schön brav alles schlucken, auch wenn ich weiß, daß die Medizin eine todbringende ist, wenn schon nicht physisch, dann doch wenigstens psychisch.

Susanne Koch

 

 
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