Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/98      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Kulturkrise? - Krisenkultur!

oder: Haben die Künste noch einen Platz in der Gesellschaft von morgen?

An verstimmte Klaviere, kaputte oder veraltete Geräte und fehlende Materialien hatten sich die Studis im Fachbereich 2 der Universität Oldenburg ja schon gewöhnt. Nicht zuletzt, weil engagierten Lehrkräfte mit einiger Originalität und guten Veranstaltungen einen gewissen Ausgleich schafften.

Weg mit den Künsten?!

Dann kamen die Gerüchte auf von Mittelvergabe nach Leistungskriterien, Finanzierung durch Drittmittel, Innovationsoffensive. Weit zu denken braucht mensch nicht, um festzustellen, daß musische Fächer bei "fortschrittlicher" Fachbereichskonkurrenz zu den Verlierern gehören.

Ist das Zufall? (Wie) lassen sich die Künste effizienter gestalten? Sollen wir uns einfach wegstreichen lassen? Oder suchen wir uns Sponsoren? Ist dies ein universitäres Privatproblem? Oder kriegt in der ganzen Gesellschaft die Kultur die Krise?

Diskussionsforum

Diese und andere Fragen mag sich so mancher Studi während der Streikzeit gestellt haben. Die Vollversammlung des FB2 beschloß das SS `98 unter das Motto "Kultur und Bildung in Zeiten leistungs- und marktorientierten Strukturwandels", kurz KubiZ: LumS zu stellen. Im Rahmen dieses FB-Projekts findet auch eine studentisch organisierte Ringveranstaltung mit dem Titel "Kulturkrise? - Krisenkultur!" statt.

Alle zwei Wochen am Montag Abend um 20 Uhr in der Aula kann in insgesamt sechs Podiumsdiskussionen mit VertreterInnen aus verschiedenen kulturellen Institutionen wie Radio, Museum oder Universität über die Situation der Kultur in der Gesellschaft, Kultur- und Hochschulpolitik diskutiert werden. Das Publikum ist herzlich eingeladen sich zu beteiligen. An den zahlreichen Zusagen der eingeladenen Podiumsgäste (bzw. dem geringen Anteil der Absagen) läßt sich deutlich die Aktualität der Themen auch im außeruniversitären Bereich ablesen und auch in studentischen Kreisen scheinen die Fragen noch nicht vergessen, wie der wieder eingetretene Alltagstrott manchmal glauben macht. Immerhin ca. 60 Studierende fanden zur Auftaktdiskussion am 27.4. um 20 Uhr den Weg in die Aula der Carl von Ossietzky Universität.

Bisherige Themen:

Was ist Kultur?

Auch in der gleichnamigen Auftaktdiskussion konnte diese Frage nicht endgültig geklärt werden. Es standen sich sehr unterschiedliche Kulturbegriffe gegenüber. Während Violetta Dinescu einen transzendenten Kulturbegriff vertrat, der einen Gegensatz zu Zivilisation bildete, versteht Karen Ellwanger als Volkskundlerin Kultur als Ausdruck von Zivilisation. Dieser umfaßt damit nicht nur geistige Kultur, sondern auch Materielles, wie z.B. Textilien.

Die provokative These des Kunsthistorikers Detlef Hoffman, das Gegenteil von Kunst sei gut gemeint und damit sei Kunst nicht Teil von Kultur, lenkte die Diskussion auf fachspezifische Kulturbegriffe. In diesem Zusammenhang wurde auch die Eröffnung des neuen Hörsaalzentrums, die am morgen stattgefunden hatte, diskutiert. Warum wurde neue Musik ausgewählt, die doch nicht jedem zugänglich ist? (Was heftigen Widerspruch von Seiten Dinescu`s auslöste.) Warum diese Form der zur Schaustellung? Und gehört nur die Musik zur Kultur oder muß nicht die ganze Veranstaltung als Teil der Kultur gesehen werden? Was wiederum zu der Frage führte, wo denn dann Subkultur einzuordnen wäre?

Jens David Ulrichs, Anglist und als einziger der Gäste nicht vom Fachbereich 2, erklärte dieses Spannungsfeld zwischen elitärem und alles umfassenden Kulturbegriff durch einen sehr weiten Kulturbegriff. Für ihn ist Kultur "wie ein Schwamm", der alles in sich aufsaugt und der in den letzten zehn Jahren häufiger vereinnahmt und umdefiniert wurde als irgend ein anderer Begriff.

Kultur und Kommerz

Am 11.5. wurde unter dem Titel "Kultur für wen" über Kultur und Kommerz gestritten. Zu Gast waren Ekkehard Seeber, der Kulturdezernenten der Stadt OL, Detlef Rossmann, Teilhaber einiger Oldenburger Kino`s, Peter Springer, Kunsthistoriker am FB 2 mit großem Interesse an Vermarktungsstrategien, Matthias Schiffner, Dramaturg des OL-Staatstheaters und Wilhelm Büttemeyer, vom FB 5 und Mitglied im Vorstand des Oldenburger Kunstverein`s. Die Diskussion fand auf einer ganz anderen Ebene statt als "Was ist Kultur", wobei ein wesentlicher Schwerpunkt auf der lokalen Kulturpolitik lag. Welche Kultur ist förderungswürdig? Für Seeber war das vor allem Kultur, die es schwer hat, so zum Beispiel junge, mittellose Künstler. Büttemeyer hingegen war für Förderung aller Kulturformen für möglichst alle "Adressatenkreise", und sah darin Aufgabe der öffentlichen Hand. Aber woher nimmt die das Geld? Popcorn jetzt auch in Kammermusik- Konzerten?

Im Tarok wurde nach Ende der offiziellen Veranstaltung weiter diskutiert.

Kulturbegriff und institutionelle Konsequenzen

Podiumsgäste am 25.5.98 waren Prinz Rudolf zur Lippe aus den FB 2 und 5, sowie der zukünftige Präsident der Uni-Oldenburg Siegfried Grubitzsch. Im Rahmen dieser Veranstaltung war geplant, aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, inwieweit sich bestimmte Auffassungen von Kultur in Institutionen, bes. der Hochschule umsetzen lassen. Diese Veranstaltung fand leider nach Redaktionsschluß statt, so daß an dieser Stelle nicht darüber berichtet werden kann.

Die nächsten Termine:

Alle Veranstaltungen finden jeweils um 20 Uhr in der Aula der Carl von Ossietzky-Universität statt:

8.6.98: Was ist Kulturwissenschaft in Forschung und Lehre an der Uni?

mit Silke Wenk (FB 2), Stefan Müller-Dohm (FB 3) und Herrn Dröge (FB 9 der Uni Bremen)

Mgl. Themen sind z.B.: Was sind Kulturwissenschaften? Haben sie eine Berechtigung? Sind ihre Themen nicht schon durch Sozialwissenschaften oder Kulturmanagement abgedeckt? Sind Kulturwissenschaften ohne Geschlechterstudien noch denkbar?

22.06.98: Erwartungen an die Hochschulausbildung im Bereich Kultur

mit Peter Friese (Neues Museum Weserburg, Bremen),Bernt Wach (Kulturetage) und Wolfgang Hagen (Radio Bremen 4),sowie voraussichtlich einem/einer KulturmanagerIn

Diese Veranstaltung kann einerseits zur Information der Studenten über zukünftige Berufsfelder und deren Erwartungen an die Studenten dienen, aber auch als Diskussionsforum für die Frage, ob die Universität diesen Ansprüchen genügen kann und soll.

13.07.98: (Warum) Kunst-, Musik- und Textilunterricht an der Schule?

mit Herrn Beiderwieden (Musikfachleiter im Studienseminar OL), Herrn Nimczik (Musikhochschule Detmold) Konstanze Kaufmann (Vorsitzende des LV Textilunterricht e.V.) Stefan Habers (Lehrer und zeitweise Lehrbeauftragter am FB2)und voraussichtlich einem Menschen aus dem Kultusministerium

Neben der Diskussion über Stellenwert und Legitimation von Kunst- Musik- und Textilunterricht kann auch über Inhalt und Gestaltung des Unterrichts diskutiert werden oder z.B. darüber, welches Kunst- und Kulturverständnis den Schülern vermittelt werden soll.

Wir freuen uns auf Eure Beteiligung!

Susanne Junge


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