Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/97      Seite 7
 
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Lieder gegen das Vergessen

Wer kennt es nicht, das Lied von den "Moorsoldaten": In seiner Trauer Ausdruck des KZ-Elends, in seiner trotzigen Zuversicht Mittel der Solidarität der Lagerinsassen der Emslandlager. Dieses und andere Lieder des internationalen Widerstandes gegen das NS-Regime wird die Gruppe ARGUS aus Bremen am 16. April im PFL vortragen. Die Interkulturelle Arbeitsstelle IBIS hat diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Papenburger Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager vorbereitet, denn hier soll es auch darum gehen, das Kapitel "Regionalgeschichte" um die Emslandkonzentrationslager vor dem Vergessen zu bewahren.

ARGUS wird Lieder in zwölf Sprachen vortragen, sehr unterschiedlich und mitunter so schön, daß man ihre Herkunft kaum glauben mag. "Die Moorsoldaten" aus dem Emsland-KZ singt ARGUS in dem weithin unbekannten vierstimmigen Originalsatz. Ein anderes Lied, Bilecanka, entstand in einem Internierungslager in der Herzegowina, wohin Bewohner slowenischer Dörfer verschleppt wurden. Das jüdische "Sog nit kejnmol" entstand 1943 im Wilnaer Ghetto kurz vor dessen Auflösung. "Ein Volk zwischen einstürzenden Wänden/hat dies Lied gesungen mit Pistolen in den Händen". In den zwei Jahren zuvor waren von 60.000 Wilnaer Juden 50.000 ermordet worden.

Todesangst, der Zwang zum Töten und die erzwungene Preisgabe der eigenen Identität lassen sich hinter den Naturbildern und Melodien vieler Partisanenlieder kaum erahnen. Es bleibt den ZuhörerInnen vorbehalten, die Schönheit dieser Lieder zu verstehen. ARGUS stellt Lieder russischer, polnischer, italienischer, bulgarischer und französischer Partisanen vor, daneben eine amerikanische Ballade aus der Zeit des Kriegseintritts und ein südafrikanisches Lied aus den Kampflagern des ANC.

Jakowos Kambanellis und Mikis Theodorakis verarbeiteten in den sechziger Jahren in dem Liederzyklus "Mauthausen" auch ihre persönliche Leidensgeschichte. Kambanellis war selbst Häftling im KZ Mauthausen gewesen, Theodorakis hatte als Partisan gegen die deutschen Besetzer Griechenlands gekämpft. In den "Mauthausen-Liedern" wird im Rückgriff auf das Alte Testament das "Hohelied der Liebe" gesungen. In der Erinnerung an Erniedrigung, Folter und Mord im KZ wird die Liebe Anfang und Endpunkt, Voraussetzung für Würde, Freiheit und Solidarität, für Hoffnung.

Hanns Eislers Lieder nach Texten von Hölderlin, Viertel, Tucholsky und Brecht erfassen nicht nur die reale Bedrohung, die von faschistischer Gewalt ausgeht; sie benennen auch Ursachen und Entwicklungen, die zum Faschismus geführt haben. "Weiß ich, was ein Mensch ist?/Weiß ich, wer das weiß!/ Ich weiß nicht, was ein Mensch ist/ich kenne nur seinen Preis."

Unter dem Eindruck des bevorstehenden faschistischen Putsches 1973 in Chile schrieb Victor Jara "Manifiesto": "Dort, wo alles endet/und wo alles beginnt/ Gesang, der mutig gewesen ist/wird immer ein neues Lied sein". Unter diesem Leitmotiv arbeitet ARGUS seit mehr als zwanzig Jahren. Lassen wir uns überraschen - am Mittwoch, dem 16.4.97, um 20 Uhr im PFL Lieder gegen das Vegessen: "Weiß ich, was ein Mensch ist?" Im Vorverkauf kostet die Eintrittskarte 12 DM, an der Abendkasse 15 DM (ermäßigt 8 DM bzw. 10 DM).


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